Hat Luther die Bibel verfälscht, indem er "allein" in Römer 3,28 hinzugefügt hat?
Luthers Bibelübersetzung im Römerbrief und im Vergleich zu Jakobus
Hat Luther etwa das Wort “allein” hinzugefügt um sein Konzept der Rechtfertigung allein aus Glauben durchzusetzen und damit die Katholische Kirche bewusst und extra zu spalten? Bzw. noch schlimmer: Die Bibel zu ändern? Oder ist es gar nicht so schlimm das Luther das Wort “allein” in diesem Vers hinzugefügt hat? Dieser Frage möchte ich im Folgenden Artikel behandeln.
In Römer 3,28 können wir folgendes lesen (LU17):
„So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.“
Um diese Frage weiter zu beantworten müssen wir einen Blick in den Griechischen Urtext werfen. Dort steht:
„λογιζόμεθα γὰρ δικαιοῦσθαι πίστει ἄνθρωπον χωρὶς ἔργων νόμου.“
Wörtlich übersetzt bedeutet das:
„Denn wir urteilen, dass der Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Werke des Gesetzes.“
So beschreibt es auch die Elberfelder Übersetzung. Ist die Kritik also doch berechtigt? Hier sehen wir doch glasklar, dass Luther das Wort “allein” in seiner Übersetzung hinzugefügt hat! Häufig wird geschlussfolgert, dass Luther die Bibel verfälscht habe, um die Debatte anzufeuern, ob der Glaube wirklich allein rechtfertigt oder doch Glauben und Werke für die Rechtfertigung zusammenwirken. Das ist die Römisch-Katholische Sicht und wird häufig von Katholiken angeführt um Luther als Irrlehrer oder Häretiker darzustellen. Dazu möchte ich folgendes Einwerfen: Macht es einen Unterschied ob in Römer 3,28 “allein durch den Glauben” oder “ohne Werke des Gesetzes” steht? Sicherlich nicht. Gemeint ist in beiden Fällen das gleiche. Ohne Werke des Gesetzes bedeutet, dass uns keine Gesetzeswerke retten, sondern allein der Glaube. Die Tatsache, ob das in der Bibelübersetzung direkt steht, ist für den Sinn der Aussage erstmal irrelevant. Luther hat das Wort “allein” der Bibel hinzugefügt, damit die Aussage der Bibel, (die ja die gleiche bleibt) hervorgehoben wird. Luthers Rechtfertigungslehre spiegelt sich in diesem Vers wider. Es macht den Text klarer und verständlicher, indem es diesen Unterschied zwischen dem Glauben und den Werken hervorhebt. Diese Klarstellung ist mit der Paulinischen Theologie des Römerbriefs gerechtfertigt, da Paulus im Römerbrief deutlich schreibt, dass wir allein aus dem Glauben gerechtfertigt sind. Das geht ebenfalls aus dem Kontext hervor. In einem Sendbrief Luthers verteidigt er selbst diese Änderung folgendermaßen:
„Ich wollte den Leuten gerne deutsch und deutlich geben; und es ist klar genug, dass der Text sagt: aus dem Glauben ohne Werke des Gesetzes; und das tut klar so viel als: allein aus dem Glauben. Ich wollte aber gerne wahr und rein verdeutschen, ohne meinen Zusatz oder Minderung.“
Wenn wir nicht durch unsere guten Werke oder durch eine Kombination aus Glauben und guten Werken gerettet werden, dann werden wir allein durch den Glauben gerettet. Das ist die logische Schlussfolgerung, die aus der Heiligen Schrift hervorgeht. Wenn die Werke des Gesetzes keine Rolle für die Errettung spielen, dann sind wir demnach allein durch den Glauben gerettet. Die Bibel verdeutlicht das an anderer Stelle folgendermaßen:
Aber ⟨da⟩ wir wissen, dass der Mensch nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt wird, sondern nur durch den Glauben an Christus Jesus, haben wir auch an Christus Jesus geglaubt, damit wir aus Glauben an Christus gerechtfertigt werden und nicht aus Gesetzeswerken, weil aus Gesetzeswerken kein Fleisch gerechtfertigt wird.
(Galater 2,16 nach der Elberfelder).
Wie passt das denn aber nun mit dem Jakobusbrief zusammen? Der widerspricht dem Römerbrief doch. Auf dem ersten Blick mag das stimmen, jedoch werden gerne Verse aus ihren Kontext gerissen. In Jakobus 2,14 lesen wir:
Was nützt es, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, hat aber keine Werke? Kann etwa der Glaube ihn retten? (ELB)
Wie gesagt, auf dem ersten Blick mag Jakobus, Paulus widersprechen. Wir müssen uns allerdings in Erinnerung rufen, dass sich die Bibel nicht in der Form widersprechen kann. Um die Rechtfertigung allein aus Glauben zu verstehen, müssen wir außerdem die Unterschiede zwischen Paulus und Jakobus ansehen: Paulus betont wie gesagt, dass wir ohne Gesetzeswerke, allein durch den Glauben gerechtfertigt werden. Jakobus im Gegensatz widerspricht Paulus nicht, sondern betont, dass ein Glaube, welcher keine Werke hervorbringt, kein echter Glaube ist. Die Argumentation richtet sich gegen eine falsche Vorstellung vom Glauben, welcher nicht in Werken bzw. Früchten resultiert. Jakobus legt die Betononung einfach an einer anderen Stelle, widerspricht Paulus aber nicht. Genauso wie Paulus, Jakobus nicht widerspricht, dass wahrer Glaube Früchte tragen muss. Sonst ist dieser Glaube gewiss toter Glaube und kann nicht rechtfertigen bzw. retten. “Kann etwa der Glaube ihn retten” bezieht sich also direkt auf den vorangegangenen Satz im Bezug zum Glauben ohne Werke. "…, wenn jemand sagt, er habe Glauben…” Derjenige spricht über sich selbst und behauptet Glauben zu haben, hat jedoch keinen wahren, rettenden Glauben.
In einem zukünftigen Artikel werde ich auf den rettenden Glauben noch tiefer eingehen. Was ist das? Wie unterscheidet sich rettender Glaube von “Glauben” bzw. Was bedeutet es eigentlich zu Glauben? Usw.